Skizzenbuch-Touren sind ja ein furchtbar populäres (Video-)Phänomen. Und für so manchen Kreativschaffenden können sie eine großartige Motivation sein. Die Betonung liegt auf “für so manchen”.
Dieser Beitrag ist für dich, wenn du zu denjenigen gehörst, die von diesen Videos demotiviert in ihrem eigenen Kopfkarussell im Kreis schaukeln. Erschlagen von Gedanken wie “so gut werde ich nie sein” oder “so wird mein Skizzenbuch niemals aussehen”. Und keine Bange, hier kommt nicht die dreiundzwölfzigste Motivationsansprache zum Thema Mindset und Selbstliebe. Hier kommt mal ein bisschen Klartext.
Inhaltsverzeichnis
Skizzenbuch oder Artbook?
Erst einmal: Entschuldige die Anglizismen. Aber das Wort Artbook hat sich im deutschsprachigen Raum gut etabliert und ich denke, dass wir alle verstehen, was damit gemeint ist. Ganz zu schweigen davon, dass “Kunstbuch” oder “Kunstband” meiner Meinung nach irgendwie nur so la la klingt 😉
Und damit sind wir auch gleich schon bei der wichtigsten Erkenntnis: Die meisten Skizzenbücher, die uns auf Social Media und Co. gezeigt werden, sind streng genommen kleine Artbooks. Portfolios im Skizzenbuchformat. Da reihen sich perfekt durchgestylte Seiten aneinander. Illustrationen, die meistens schon fertige Kunstwerke sind. Botanische Studien, die wie aus einer Enzyklopädie entsprungen wirken. Oder Reiseberichte, die mit hübschen Landschaftsmalereien ergänzt wurden. Du weißt, worauf ich hinaus will.
Bitte verstehe mich nicht falsch – ich sage nicht, dass ein Skizzenbuch keinen hübschen Inhalt haben darf. Aber in erster Linie bekommen wir selten Übungswerke zu sehen. Das Skizzenbuch, welches uns da stolz präsentiert wird, ist kein Übungsbuch. Und wie das nun einmal meistens mit Social Media ist: Diese Seiten wurden extra konzipiert, um gezeigt zu werden.
Höchstwahrscheinlich wird der Großteil dieser Künstler:innen ein separates Skizzenbuch haben, in dem sie sich dann austoben. In diesem “geheimen” Büchlein werden die Vorskizzen und Farbtests gemacht. Darin findest du die anatomisch nicht so korrekten Zeichnungen. Die vermurkste Landschaft, die nun eher einem Loblied an die abstrakte Malerei gleicht oder die hundertste Wiederholungsstudie zur Tiefenperspektive. Denn meistens sind Skizzenbücher für uns Kreativschaffende in erster Linie Orte des Lernens.
Lernen sieht oft nicht so schick aus. Wir würden deshalb auch nicht auf die Idee kommen, ein nettes Foto von unseren Fehlschlägen zu machen und auf Instagram zu posten.
Dabei ist das doch gerade das Interessante: Die Schritte, die Künstler:innen zurück legen, um ein Werk zu vollenden, die vielen Zwischenstadien, der Neustart einer Illustration, der Kampf mit Selbstzweifeln oder der falschen Farbwahl. Stattdessen sehen wir Tag für Tag perfekte Skizzenbuchseiten.
Social Media ist Schein, nicht Sein.
Du kannst dein Übungsskizzenbuch nicht mit den “Artbooks” anderer Künstler:innen vergleichen. Noch nicht einmal mit deren “echten” Skizzenbüchern … schon gar nicht, wenn du gerade erst angefangen hast. Womit du dich einzig und allein vergleichen kannst, bist du selbst.
Ich habe auch so ein Übungsskizzenbuch. Ich nutze es für meine Lockerungsübungen oder zum Color-Swatching. In meinem Newsletter zeige ich ab und zu Ausschnitte daraus.
Warum führst du ein Skizzenbuch?
Das wäre die wichtigste Frage. Wenn dein Ziel ist, so perfekte hübsche Büchlein zu kreieren: Dann los, lass dich nicht aufhalten. Aber ich bezweifle, dass du dann hier auf dem Blog lesen würdest.
Vielleicht hast du bei Google danach gesucht, wie du dein Skizzenbuch am besten füllen kannst. Nach Ideen für leere Seiten. Aber ist das dein Ziel? Dein Skizzenbuch so schnell wie möglich zu befüllen? Aber womit? Mit Ideen von anderen? Und was kommt danach? Du fängst höchstwahrscheinlich ein neues an. Gratulation, du hast noch mehr leere Seiten gefunden…
Persönlich kann ich mir nicht vorstellen, die Seiten meiner Skizzenbücher mit Belanglosigkeiten zu befüllen, die mir selbst nichts bedeuten. Ich male zum einen, weil es für mich die schönste aller Beschäftigungen ist. Aber auch, um meiner großen Leidenschaft, dem Ozean, näher zu sein. Um diesen Lebensraum und seine Bewohner besser zu verstehen.
Vorrangig nutze ich daher Skizzenbücher zum Üben. Ich suche hier nach Kompositionen oder Farbpaletten oder versuche zu verstehen, wie Korallen aufgebaut sind. Und ganz oft finde ich es auch nützlich, den ganzen Kleinkram nicht als lose Blattsammlung herumfliegen zu haben. Ganz nebenbei kann ich auf diese Weise auch meinen eigenen Fortschritt dokumentieren. Oder – und das ist mein liebster Punkt – Inspiration finden.
Im eigenen Skizzenbuch? Jawoll!
Da sind kleine Zeichnungen oder Randnotizen, die mir beim Durchblättern wieder ins Auge fallen. Angefangene Ideen, für die ich zum damaligen Zeitpunkt keinen Nerv oder Zeit hatte. Oder die ich noch einmal aufgreifen möchte. Gerade meine morgendlichen Skizzen sind meistens die Grundlage für meine Aquarelle.
Erlaube dir, “hässliches” zu erschaffen
Nicht jedes Mal, wenn du einen Stift oder einen Pinsel in die Hand nimmst, entsteht dabei etwas, dass dir gefällt. Das geht uns allen so. Auch den Künstler:innen, zu denen wir beide aufschauen. Der Trick ist, sich davon nicht demotivieren zu lassen und den Misserfolg von Beginn an als eine Möglichkeit zu akzeptieren. Hab keine Angst davor, etwas zu erschaffen, dass nicht gut aussehen wird.
Male in deine Skizzenbücher ohne Druck oder Erwartungshaltung. Streich den Gedanken, dass du etwas vorzeigen willst. Erlaube dir, einfach nur Spaß zu haben.
Erschaffe.
Probiere Neues aus.
Mach Fehler.
Versuche, diese Fehler zu korrigieren.
Du wist nicht glauben, wie viele Techniken ich schon entdeckt habe, nur weil ich einen Fehler gemacht habe 😆
Nimm dir bewusst die Zeit zu lernen.
Ich weiß, wie verlockend es ist, diese Stunden des Übens überspringen zu wollen. Es fühlt sich oft nach Arbeit statt nach Spaß an. Aber genau diese Stunden sind es, in denen du wirklich voran kommst. Jeder scheinbare Misserfolg hält einen Lernaspekt für dich bereit. Du kannst schließlich auch nicht nach dem Kauf eines Klaviers von dir erwarten, sofort fehlerfrei spielen zu können.
Kunst oder Content?
Es geht meiner Meinung nach nicht darum, im Akkord perfekte Illustrationen zu erstellen, um diese dann auf den Social Media Kanälen deiner Wahl zu präsentieren. Du kannst das zwar versuchen. Aber über kurz oder lang wirst du den Spaß daran verlieren.
Du wirst gestresst sein. Unter Druck geraten, dass jedes mal, wenn du deinen Pinsel in die Hand nimmst, etwas “Gutes”, etwas Vorzeigbares entstehen muss. Und damit stellst du dir und deinem eigenen Fortschritt selbst ein Bein. Denn unter Druck lernst du schlecht. Wenn du dir nicht die Zeit nimmst zu lernen, stagnieren deine Fähigkeiten. Du beginnst, dich und dein Können in Frage zu stellen.
Oder, noch schlimmer, vergleichst dich fortwährend mit anderen. Du wirst frustriert und vielleicht auch traurig sein. Letzten Endes macht dieser Posting-Wettbewerb dir dein Hobby / deine Leidenschaft kaputt. Und das nur für ein paar virtuelle Herzchen.
Mit all den Reels und Tiktoks da draußen ist es leicht, zu vergessen, wie lange es eigentlich dauert, um ein Kunstwerk zu erschaffen. Was nötig ist, um überhaupt an diesen Punkt zu gelangen. Stundenlange Arbeit, zusammengestaucht in ein paar Sekunden.
Dein Skizzenbuch ist der Ort, an dem du lernen, wachsen und Spaß haben kannst. Hab keine Angst, dich auf seinen Seiten auszutoben.