Stell dir vor: Du hast endlich ein bisschen Zeit freigeschaufelt, hochmotiviert dein Skizzenbuch geschnappt und dann… gähnende Leere. Ein weißes Blatt Papier, dass dich fragend anstarrt. Willst du jetzt malen, oder was? Ja, klar! Aber … WAS?
Keine Panik. Das ist uns allen schon einmal passiert (manchmal auch ein bisschen öfter…).
In den meisten dieser Fälle scheint der Griff zum Smartphone eine gute Idee zu sein. Nur mal eben was nachschlagen. Ein bisschen Inspiration holen (hallo Pinterest).
Oh, schau, so eine schöne botanische Zeichnung. Eine Tulpe. Und gleich daneben ein Wal. Auch schick. Und was haben wir weiter unten? Ein urbane Stadtlandschaft in Watercolor. Eventuell noch mit einem Lettering dekoriert.
Du merkst, die Möglichkeiten sind grenzenlos. Das ist erst einmal gut.
Das Problem: Wenn du keine Ahnung hast, was du zeichnen oder malen möchtest, wirst du unter Umständen derart mit Optionen bombardiert, dass du am Ende gar nichts mehr machst. Unser Hirn findet zu viele Auswahlmöglichkeiten nämlich doof 😉
Inhaltsverzeichnis
Finde ein Thema, für das du brennst
Vielleicht ist dir schon einmal aufgefallen, dass viele Künstler sich auf einen Bereich spezialisiert haben. Wie zum Beispiel Porträts, Landschaften oder abstrakte Malerei. Das heißt nicht, dass sie niemals nicht und never irgendetwas anderes malen. Aber wenn diese “Spezialisten” sich vor ihr Skizzenbuch setzen, haben sie höchstwahrscheinlich einen eingeschränkteren Katalog an Studienobjekten. Macht Sinn, oder? Wenn du gern Landschaften malst, wirst du kaum Katzenporträts anfertigen.
Daher mein Tipp für dich: Finde ein Thema, für das du brennst (so wie ich für die Unterwasserwelt). Du hast dann eine viel größere Motivation, deine Fähigkeiten auszubauen. Denn sowohl Zeichnen als auch Malen kann anstrengend und frustrierend sein. Aber du bleibst eher am Ball, wenn dich etwas so richtig vom Hocker haut.
Das bedeutet nicht, dass du nichts anderes malen “darfst”. Aber für den Anfang hilft das sehr, um überhaupt zu starten. Als ich meine eigene Zeichenroutine etablierte, habe ich zu Beginn nur Fische gezeichnet.
Finde etwas, für das dein Herz schlägt. Egal ob botanische Studien, Urban Watercolor oder Korallenriffe.
Wenn du dich noch gar nicht für ein Thema entscheiden magst (oder kannst), schreib deine verschiedenen Interessen einzeln auf kleine Zettel. Die kannst du gefaltet in einem Glas aufbewahren und dir dann jedes Mal dein Thema “ziehen”. So umgehst du das endlose Versinken im Internet und hast trotzdem eine Idee für deine Kreativsession.
Leg dir ein Pinterest-Board an
Okay, das klingt wie ein Widerspruch zum ersten Absatz.
Aber jetzt kommt der Clou an der Sache: Wenn du dein Thema abgesteckt hast, ist es viel leichter, durch die unendliche Vielfalt an Inspiration zu schwimmen.
Nehmen wir mein Beispiel mit den Fischen. Auf Pinterest habe ich anfangs ein Board gehabt, auf dem ich nur Fische sammelte. Denn selbstverständlich konnte ich erst einmal nicht wissen, wie ein Clownfisch anatomisch korrekt aussieht. Aber ich wusste: Ich will Fische zeichnen. Damit war ich schon einmal einen großen Schritt weiter (und habe mich weder von Tulpen noch von Katzenbildern ablenken lassen).
Du öffnest also nicht Pinterest, nur um in der Flut von zeichenbaren Vorschlägen zu ertrinken. Sondern du folgst einem Ziel. Nicht “was will ich heute zeichnen”, sondern “welchen Fisch will ich heute zeichnen”. Gleich viel präziser, oder?
Wenn dich der Ozean genauso fasziniert wie mich, fühl dich übrigens frei, auf meinen Pinterest-Boards zu stöbern.
Sei dir selbst die beste Inspiration
Ganz oft finde ich Ideen zum Malen in meinen eigenen Skizzenbüchern. Beim Durchblättern bleibt mein Blick immer an irgendetwas hängen, dass ich zuvor schon einmal gezeichnet habe. Manchmal versuche ich dann eine neue Zeichnung, um die Dinge zu verbessern, die mir beim ersten Versuch schwer fielen oder gar nicht geklappt haben. Oder ich setze die Zeichnung in einem ganz anderen Medium bzw. Stil um.
Du musst das Rad nicht jedes Mal neu erfinden. Wiederholung bringt Sicherheit. Was meinst du, wie oft ich ein und dieselbe Koralle schon gemalt habe? (Sehr oft!)
Vielleicht hilft dir auch eine Art “Planungsbuch”. In einem solchen Buch sammele ich alle Ideen, für die ich gerade keine Zeit oder Nerv habe oder die noch mehr ausgearbeitet werden müssen. Kleine Thumbnails mit Randnotizen, damit ich auch später noch weiß, was ich mir eigentlich selbst damit sagen wollte.
So geht keine Idee verloren und wenn ich nicht weiß, was ich malen soll, schlage ich hier als Erstes nach.
Fang einfach an!
Die beste Vorgehensweise, die ich erst jüngst für mich entdeckt habe. Ein wahre Geheimwaffe, die nicht nur Anspannung löst, sondern auch das Gehirn frei pustet.
Nimm ein Papier deiner Wahl und beginne mit simplen Farbklecksen. Male Striche, Kreise oder lass zwei verschiedene Farben ineinander laufen. Egal, ob Aquarell, Acryl oder Buntstifte – es funktioniert immer. Auch an Tagen, an denen ich eigentlich sowas von überhaupt keine Lust hatte, irgendwas zu machen. Nach spätestens zehn Minuten fange ich von ganz allein an, bekannte Formen zu malen. Betrachte diese Übung als eine Art Lockerung, ein Warm Up, sowohl für deinen Geist als auch deine Handmuskeln.
Trau dich zu spielen
Du hast zwar ein Thema, fühlst dich aber nicht in Stimmung oder blockiert? Dann versuch es doch mal mit einem komplett anderen Ansatz: Dem intuitiven Malen.
Das intuitive Malen legt den Fokus weniger auf das Erschaffen eines Kunstwerkes als vielmehr auf den kreativen Schaffensprozess selbst. Ich will da gar nicht groß im Detail drauf eingehen, dass ist nämlich ein sehr komplexes Thema für sich.
Wenn ich intuitiv male, habe ich gar nicht vor, etwas so Spezifisches wie eine Studie oder eine Landschaft zu kreieren. Sondern einfach nur das dringende Bedürfnis, einen Pinsel ganz locker und leicht über das Papier zu bewegen. Dann möchte ich Farbe fließen sehen.
In einem solchen Fall werfe ich höchstens ein paar geometrische Formen aufs Blatt wie Kreise oder Quadrate und benutze deren Linien als “Guide” für meinen Pinsel. Du kannst aber auch komplett auf Linien verzichten und einfach drauf los malen. Nimm dir noch ein paar Stifte deiner Wahl dazu und zeichne, kreise oder kleckse dich munter durch deine Farbflecken.
Da ich ja ein ausgesprochener Unterwasser-Nerd bin, entstehen dabei dann meistens abstrakte Meeresböden.
Mein Unterwasserthema zieht sich auch dann durch, wenn ich intuitiv oder abstrakt male.
Zwing dich nicht!
Und jetzt mal ganz ungeschönt: Manchmal ist ein beschissener Tag eben genau das – einfach nur ein beschissener Tag. Dann schafft es keine Faszination der Welt, dich aus deinen Wollsocken zu ziehen. Und da kannst du so oft du willst das “Danach werde ich mich viel besser fühlen”- Mantra runterbeten (hilft angeblich ja auch, um sich zum Sport aufzuraffen…).
Wenn das funktioniert – Gratulation! Wenn nein – dann ist das auch okay.
Schnapp dir deine liebsten Latschen und geh raus. Ein Spaziergang wirkt oft Wunder. Und wer weiß hinter welchem Busch dann doch plötzlich die Inspiration lauert? (Vielleicht steckst du dein Skizzenbuch also lieber in die Jackentasche 😉)
Was ist dein Antrieb?
Ich bin eine große Verfechterin davon, Kreativität einen Sinn zu geben. Und ich meine damit nicht eine politische oder gesellschaftskritische Meinung. Eventuell noch kryptisch versteckt in ein paar Linien, damit fachkundige Leute meine Arbeit abnicken und als bedeutungsvoll deklarieren können.
Was ich meine, ist mir selbst die folgende Frage zu beantworten: Warum male ich? Ist es ein Zeitvertreib? Will ich lernen? Oder ist es etwas ganz anderes? Ich setze mich nicht hin, um ein Skizzenbuch zu füllen, nur damit es gefüllt ist.
Ich liebe den Ozean und seine Bewohner. Und diese Faszination, die möchte ich zum Ausdruck bringen. In Farbe, auf Papier oder der Leinwand. Und ich möchte, dass andere, die meine Arbeiten betrachten, darin auch etwas für sich entdecken.
ABER: Das ist MEIN Grund. Eventuell passt er nicht für dich. Oder ist gar zu spezifisch. Das ist vollkommen in Ordnung. Aber vielleicht konnte ich dir mit diesem Beitrag Möglichkeiten aufzeigen, wie du selbst Ideen zum Zeichnen oder Malen finden kannst ohne vor dem weißen Blatt zu kapitulieren.
Eventuell liegt dein “Problem” mit der Ideenlosigkeit aber auch unter einer ganz anderen Muschel begraben: Nämlich der Angst, das Skizzenbuch zu versauen! Hab ich dich erwischt?
Dann lass uns dich mal aus deinem Kopfkarussell ziehen.