Um Gouache bin ich immer ein bisschen herumgeschlichen wie eine Katze um den Badewannenrand. Dabei gibt es absolut keinen Grund für Misstrauen.
Im Prinzip ist Gouache nämlich nichts anderes als opake sprich deckende Aquarellfarbe. Aber irgendwie auch so viel mehr als das. Ich mag den Look, den dieses Medium mit sich bringt. Die knalligen Farben, das matte Finish… und im Gegensatz zu Aquarell kannst du Fehler wieder übermalen und sogar das gesamte Werk neu arrangieren. Gouache ist daher ein bisschen wie das uneheliche Kind zwischen Acryl und Aquarell.
Also Zeit für einen Feldversuch.
Inhaltsverzeichnis
Schau mal, was ich gefunden habe!
Anfang des Jahres habe ich mein Studio komplett auf den Kopf gestellt. Alle Schubladen ausgeräumt und in jeden Karton gelinst. Dabei sind mir meine Gouache-Farben wieder in die Hände gefallen. Frau vergisst ja oft, was sich so alles in ihrem Besitz befindet.
Da ich mich derzeit ohnehin in einer ausgeprägten experimentellen Phase befinde, habe ich hochmotiviert einen Test mit den Farben durchgeführt. Oh weh… sagen wir so: Ich habe zwar was ins Skizzenbuch gekleckert bekommen. Aber es war furchtbar anstrengend.
Ein Erklärungsversuch
Vor zwei Jahren habe ich das erste Mal mit Gouache herumgespielt und mich zu einem Livestream hinreißen lassen, in dem ich zeigen sollte, wie ich Wolken male. Mit Gouache. Einem Medium, dass ich bis dato nie auch nur angerührt hatte (weiß der Geier, wie mich die Followerin damals dazu gebracht hat 😆). Irgendwie habe ich es auch hinbekommen. Aber dann sind die Farben wieder in dieser ominösen Schublade verschwunden, aus denen ich sie jetzt herausgefischt habe.
Die Tuben waren zwar verschlossen, aber die Farben darin haben trotzdem gelitten. Außerdem müffeln sie extrem nach Kreide und Bindungsmittel. Das war schon vor zwei Jahren so und leider ist der Geruch auch nicht verschwunden. Dazu kommt, dass sie von der Konsistenz und auch der allgemeinen, ich sage mal, Nutzerfreundlichkeit her, schon eher zur Kategorie “ich schmeiß dich gleich an die Wand” gehören. Davon, dass sie sich nur mit viel guten Zuredens nach dem Antrocknen wieder haben reaktivieren lassen, fange ich gar nicht erst an. Das ist Übrigens die wichtigste Eigenschaft von Gouache. Sonst kann ich auch gleich mit Acryl malen…
Das alles macht keinen Spaß, wenn du Hals-über-Kopf in ein neues Malmedium springst. Auf der anderen Seite darf Frau nicht viel erwarten, wenn sie ein einfaches Set von zehn Tuben für ‘nen Zehner schießt… 🙊
Zeit für Online-Frust-Shopping
Da ich seit einiger Zeit schwer verliebt bin in die Aquarellfarben von Winsor & Newton, habe ich mir voll des Frustes ein Primärfarbenset aus ihrer Gouache-Reihe zusammengestellt: Brillant Yellow, Quinacridon Magenta und Cyan. Dazu noch Umbra gebrannt und Lichter Ocker, weil ich diese Farben vor allem für den Meeresboden benötige und keine Lust habe, sie mir dauernd neu anzumischen. Als letztes noch ein dunkles Blau, in diesem Fall Preußischblau, weil mein Favorit Indigo grad ausverkauft war.
(Ich nutze nie schwarz. Weder bei Buntstiften, noch bei Aquarell, Acryl oder Gouache. Mein dunkelster Ton ist immer Indigo, den ich mit Umbra gebrannt noch vertiefe.)
Weiß hatte ich vom Hersteller Schmincke in einer großen Tube bereits hier, da ich mal dachte, das für Aquarell gebrauchen zu können (hab ich bisher nicht 😜).
Meine Bestellung war glücklicherweise schnell da und bereits beim Öffnen der Tuben ist mir der erste positive Aspekt in die Nasenflügelchen gesprungen: Kein Geruch! Nichts. Nada. Niente. Ein duftloser Traum.
Erfolgserlebnisse
Den darauffolgenden Tag habe mich mit dem Mischen der neuen Farben beschäftigt. Mal abgesehen davon, dass ich feststellen musste, absolut talentfrei im Ausmalen von simplen Kästchen zu sein, bin ich schwer begeistert. Die Farben haben direkt aus der Tube heraus eine tolle Konsistenz und lassen sich sehr gut miteinander verblenden.
Mit dem “Dreck”, der vom Mischen auf meiner Palette zurückgeblieben ist, habe ich dann direkt einen Köpper ins Skizzenbuch gemacht und ein kleines Riffelement sowie eine Fächerkoralle gemalt. Die Fächerkoralle gefällt mir besonders gut, auch von der Farbpalette her. In die Richtung werde ich weiter testen 😉
Ich bin jedenfalls total hin und weg von diesem Medium. Definitiv eine Liebe auf den zweiten Blick, aber nun möchte ich Gouache nicht mehr missen.
Tutorial: Koralle in Gouache malen
Was habe ich an Material genutzt?
Gouache-Farben Winsor & Newton
Rundpinsel Größe 12
Skizzenbuch Hahnemühle, Aquarell 200g/m² quer
Mischpalette mit ausreichend Platz
Schwammtuch bzw. Küchenkrepp zum Abtupfen des Pinsels
Tipp: Wenn du deinen Hintergrund nicht weiß lassen willst, kannst du entweder jetzt einen dezenten Farbauftrag auf dein Papier bringen oder du schaust kurz bei Schritt Fünf nach, ob du meiner Variante folgen möchtest 🙂
Auf YouTube habe ich ein kurzes Video zu diesem Motiv hochgeladen.
Schritt 1
Misch dir einen Basisfarbton für deine Koralle an. Male dann mit der Pinselspitze feine Verästelungen, die du wie bei einem Baum in einen Stamm zusammenlaufen lässt. Um den ersten Farbauftrag interessant zu gestalten, wechsele hierbei zwischen zwei Farbtönen (zum Beispiel Rot und einem rötlichen Orange). Damit deutest du auch gleichzeitig an, dass Teile der Koralle nach hinten gerückt liegen, während die vorderen und dunklen Stämmchen dem Betrachter näher sind.
Zum Schluss dunkle deinen Hauptton noch ein bisschen ab. Das funktioniert am besten mit der Komplementärfarbe, bei Rot also Blau.
Aber Achtung: Mit “ein bisschen” ist auch wirklich nur wenig gemeint. Mischst du die Farben zu gleichen Teilen, erhältst du eine neue Farbe und nicht nur eine dunklere Variante.
Mit diesem dunklen Ton “erdest” du deine Koralle, in dem du ähnlich wie bei Bäumen und Sträuchern Wurzeln andeutest. Korallen haben natürlich keine “Wurzeln”. Aber bei den meisten Korallen ist es sehr hilfreich, sich beim Malen einen Baum vorzustellen 😉
Schritt 2
Nimm nun einen Grünton deiner Wahl und male nach oben wachsende Algen. Variiere die Form der einzelnen Blätter und auch die “Wuchsrichtung”. Unter Wasser ist durch Strömungen alles ständig in Bewegung (wie Blätter im Wind). Versuche, das in deinen Algen widerzuspiegeln.
Schritt 3
Wenn der erste Farbauftrag sowohl an Koralle als auch an den Algen getrocknet ist, schattiere mit einem dunkleren Ton die dem Licht abgewandte Seite und die Unterseiten der Blätter. Auch am Stämmchen der Koralle und da, wo sie sich “erdet” kannst du den Farbton vertiefen. Und keine Bange, falls du zu dunkel geraten solltest. Bei Gouache kannst du jederzeit zwischen hell und dunkel hin und her wechseln 🙂
Schritt 4
Nimm nun deinen Basisfarbton vom Beginn und mische ihn mit weiß heller. Damit setzt du an der dem Licht zugewandten Seite von Koralle und Algen Akzente.
Tipp – Eventuell brauchst du mehrere Durchgänge. Wie weiter oben schon beschrieben, ändert sich der Farbton beim Trocknen. Es kann also eine Weile dauern, bis du den von dir gewünschten Farbton gefunden hast. Lass dich davon nicht entmutigen!
Schritt 5 (dieser Schritt ist optional)
Ich hatte beim Malen spontan entschlossen, den Hintergrund mit einem leichten Grau-Blau zu tönen. Wenn du diesen Schritt ebenfalls nacharbeiten willst, dann male vorsichtig um deine Formen herum, um deine bis jetzt vollzogenen Arbeitsschritte nicht zu zerstören. Achte darauf, dass du wirklich nur einen sehr dezenten Farbton wählst. Dein Hintergrund soll farblich nicht von deiner Koralle ablenken. Wenn dir das zu heikel ist, dann male deinen Hintergrund bevor du mit der Koralle startest.
Schritt 6
Jetzt ist Zeit für kleine Details im Vordergrund. Male Steinchen, Muscheln oder einen Seestern, damit dein Boden nicht zu nackig wirkt. Auch die ein oder andere Farbanpassung kannst du hier noch vornehmen und zum Beispiel Schatten andeuten.
Schritt 7
Mische dir nun eine etwas ins gräuliche tendierende Farbe für Hintergrundelemente an. Elemente im Hintergrund sind durch die Entfernung zum Betrachter eher blass-bläulich gehalten und weisen wenige bis gar keine Details mehr auf. Es sind unterstützende Formen, die dafür sorgen, dass dein kleines Riff nicht einsam im Ozean schwimmt.
Schritt 8
Bevölkere dein Riff! Was wäre eine Korallenriff ohne Fische? Genau, stinklangweilig! 😉 Du kannst deine Fische als einfache Silhouetten in verschiedenen Formen halten oder du wagst dich an mehr Details.
Tipp: Damit der Blick des Betrachtenden in deiner Illustration verweilt, sollten Elemente wie die Fische immer ins Riff führen. Das heißt, die äußersten Fische schwimmen immer vom Rand weg nach innen.
Schritt 9
Pinsel im Wasserglas auswaschen und dann dir selbst auf die Schulter klopfen – dein Riff ist fertig! 😃
Bei Künstlermaterialien bewahrheitet sich sehr oft, dass du Geld in die Hand nehmen musst, um gute Ergebnisse zu erzielen. Wenn du mit einem neuen Medium starten möchtest, besorge dir für den Anfang erst einmal nur die Primärfarben plus eventuell schwarz und weiß. Das reicht vollkommen. Aufstocken kannst du immer noch.
Mir jedenfalls hat dieser Test gezeigt, dass oft das Equipment ausschlaggebend für den Erfolg ist. Nun kannst du natürlich auch mit dem Finger auf mich zeigen und behaupten: “Klaro, die Farben sind schuld und nicht deine fehlende Erfahrung im Umgang mit ihnen!”. Und sicherlich: Hätte ich mich richtig durchgebissen, dann hätte ich auch das alte (müffelnde!) Set irgendwie zur Zusammenarbeit bewegen können. Aber das macht halt keinen Spaß. Und dafür male ich: Für den Spaß 😉