Zeichnen ist ein zeitintensives Hobby. Es erfordert Übung und kann durchaus frustrieren. Aber wie gelingt es dir, im Alltag genügend Zeit dafür aufzubringen? Ohne stundenlang gekrümmt über der Tischplatte zu hocken? Keine Bange: Wiederholung ist zwar der Schlüssel zum Erfolg. Aber wenn du dir eine kleine, gar nicht so zeitintensive Routine aufbaust, wirst du relativ schnell Fortschritte sehen, versprochen.
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Mein Zeitproblem und wie ich es gelöst habe
Ich erinnere mich noch sehr gut daran: Es war August 2021 und ich war einfach alles so furchtbar leid: Meinen damaligen Job. Die Nachrichten. Meine Tagesabläufe. Meine schreiende Unlust, auch nur einen Stift anzusehen. Dabei wollte ich um jeden Preis besser im Zeichnen werden. Und ich wollte generell mehr Zeit für das Zeichnen haben.
Auf den diversen Social-Media-Kanälen scrollte ich mir in den Mittagspausen die Daumen nach Anleitungen und Inspiration wund. Speicherte mir hunderte Beiträge. Wartete sehnsüchtig auf den Feierabend. Und dann, als der Zeiger auf die inständig herbei gewünschte Uhrzeit wanderte?
Dann passierte nichts.
Obwohl: Das stimmt nicht so ganz. Kreativ, das war ich allemal. Nämlich im Ausreden finden 😅
“Ich bin zu müde…”
“Der Tag war so anstrengend…”
“Ich kann mich nicht mehr aufs Zeichnen konzentrieren…”
“Die Welt ist grad so doof…”
“Morgen dann ganz bestimmt…”
Erkennst du dich wieder? 😉
Für mich war es jedenfalls ein hoffnungsloses Unterfangen, sich nach Feierabend noch einmal hinzusetzen und Hirnschmalz für ein paar Bewegungen mit dem Stift aufbringen zu wollen.
Also beschränkten sich meine kreativen Ergüsse auf das Wochenende. Wo ich dann zumeist nach zwei Stunden gefrustet aufgab. Weil nicht schnell genug Ergebnisse zu sehen waren. Weil ich das bisschen Freizeit am Tisch hockend verbrachte, statt im Wald. Oder auf dem Fahrrad. Weil ich doch lieber “richtige Bilder” malen wollte, statt mit den Grundlagen zu versauern.
Es dauerte ehrlich gesagt eine Weile, bis bei mir der berühmte Groschen fiel. Wenn ich nach Feierabend keine Energie mehr zum Zeichnen verspürte, warum änderte ich dann nicht einfach die Tageszeit? Diese doch sehr banale Idee war DIE Lösung für mein hausgemachtes Dilemma. Warum? Nun, ich bin ein absoluter Morgenmensch. Weshalb der Snooze-Button erfunden wurde, ist mir schlicht und ergreifend ein Rätsel. Und wenn um 05:30 Uhr der Wecker klingelt, dann bin ich wach. Meistens schon zehn Minuten vorher.
Morgens, direkt nach dem Aufstehen, da könnte ich Bäume ausreißen. Außerdem habe ich eine stark introvertierte Ader. Ruhig und gelassen muss mein Start in den Tag sein, mit viel Zeit für mich selbst (sonst garantiere ich für Nichts 😁). Alles in allem die perfekte Ausgangslage, um sich ein paar Minuten für eine kleine Skizze zu nehmen, oder was meinst du?
Das dachte ich mir auch. Also habe ich wagemutig einen Feldtest durchgeführt. Ganz schmale und holprig anlaufende zehn Minuten waren es zu Beginn. Ein vorsichtig gezeichneter Kreis, der dann Flossen und Augen bekam. Et voilà. Meine erste morgendliche Skizze. Gefolgt von einem Freudentanz und einem aufmunternden Schulterklopfen vor dem Spiegel. Ich hatte gezeichnet. Boah Ey!
Gleich am nächsten Morgen wiederholte ich mein “Experiment”. Und blieb den Rest der Woche am zeichnerischen Ball.
Das waren meine allerersten morgendlichen Zeichnungen. Mal ein Fisch, manchmal sogar eine kleine Szenerie drum herum.
Außerdem bemerkte ich noch etwas anderes in dieser Woche: Ich war viel ausgeglichener. Den Tag direkt mit meinem Hobby zu starten, sorgte offenbar dafür, dass ich zufriedener mit mir und meiner Gesamtsituation war. Also versprach ich mir selbst, meiner Zufriedenheit mehr Platz einzuräumen.
Mein persönlicher Rhythmus
Meine Zeichenroutine meinem ganz persönlichen Tagesrhythmus anzupassen, war die Veränderung, die ich dringend benötigte. Mittlerweile sind es zwischen 30 und 45 Minuten, die ich morgens zeichnend verbringe. Minimum. An meinen freien Tagen gern auch noch mehr.
Der frühe Morgen, der gehört mir. Wenn alles noch still ist. Kein Social Media, kein WhatsApp. Erst recht keine Nachrichten. Stattdessen eine Tasse Kaffee, gute Musik und mein Skizzenbuch. Und gern auch Vogelgezwitscher.
Manchmal lege ich kleine Studien an. Ein anderes Mal entsteht eine lockere Buntstiftzeichnung. Oder eine komplette Illustration, an der ich stückchenweise weiterarbeite.
Selbstverständlich war es am Anfang nicht leicht. Deshalb blieb ich auch bei Formen, die mir bekannt waren. In denen ich eine gewisse Sicherheit verspürte. Aber irgendwann wurde ich mutiger. Nahm mir Fotos von Korallenriffen und zeichnete Elemente daraus. Lernte ganz langsam, wie das mit den Schattierungen und der Tiefenperspektive funktioniert.
Jetzt “baue” ich ganz oft meine eigenen Riffe. Aus den Elementen, die ich zwischenzeitlich gelernt habe. Meine Zeichnungen haben sich weiterentwickelt. Auch geht mir das Zeichnen selbst nun sehr viel lockerer von der Hand. Es ist Routine entstanden. Und ich freue mich jeden Morgen auf mein kleines Ritual – meine Zeit für mich. Und ganz nebenbei werde ich besser in dem was ich tue 😉
aktuelle Zeichnungen
Eins muss ich noch erwähnen: Von Anfang an habe ich mir keinen Stress gemacht. Die kleinen Zeichnungen, die sind für mich. Genau wie die Stunde Zeit, die ich mir morgens für mich nehme. Zweifellos will ich lernen. Aber meine kreative Ader am Fließen zu halten – das ist mein Hauptantrieb geworden.
Lieber kleine Schritte
Es ist ein bisschen wie mit dem Sport: Statt am Wochenende fünf Stunden zu trainieren und zu hoffen, dass das ausreicht, ist es wesentlich effektiver, jeden Tag zehn bis zwanzig Minuten in deine körperliche Fitness zu investieren. Und genau so solltest du es auch mit deiner Zeichenpraxis halten. Gerade, wenn du am Anfang stehst. Wir Menschen neigen dazu, uns schnell zu überfordern.
Überlege dir, wann in deinem Tagesablauf zehn bis zwanzig Minuten für deine Zeichenpraxis frei wären. Der erste Impuls ist meistens erstmal abwehrend: “Aber ich habe doch keine Zeit!” Dann frage dich, wie viele Minuten am Tag du damit verbringst, auf Instagram oder TikTok zu scrollen. Und Schwupps, hallo Zeitfenster 😉
Oder auch ein Klassiker: Ausreden suchen. Wenn die Spülmaschine noch nicht ausgeräumt ist – wen interessierts? Der Staub liegt auch morgen noch auf dem Regal. Und ganz ehrlich, wer bügelt schon gern?
Der nächste Schritt ist, dir eine kleine Liste mit Dingen anzulegen, die du zeichnen könntest. Halte die Liste kurz und beschränke dich vorerst auf Motive, bei denen du dich sicher fühlst. Besser werden kannst du immer noch. Aber erst einmal willst du ja überhaupt starten. Wenn es dir wie mir geht, wirst du nach kürzester Zeit von allein beginnen, dich herauszufordern und nach neuen Motiven oder Techniken zu suchen.
Wenn du dir absolut nicht sicher bist, wann deine beste Tageszeit zum Kreativsein ist: Probiere dich in den nächsten Wochen aus. Variiere Tageszeiten und Wochentage. Triff dich mit Gleichgesinnten – gemeinsam Kreativ sein macht Spaß (wie beim Sport). Deaktiviere alle Benachrichtigungen an deinem Smartphone. Und das Wichtigste: Bleib locker. Niemand kontrolliert deine Fortschritte. Und du musst auch niemandem deine Zeichnungen zeigen.
Eine kleine „Anleitung“
- Räume dir bewusst Zeit für deine Zeichenpraxis ein. Starte langsam – egal ob täglich oder wöchentlich.
- Finde eine Tageszeit, die zu DIR und DEINEM Leben passt. Es bringt dir nichts, morgens zu einer Uhrzeit aus den Federn zu krabbeln, in der du gerade mal den Weg zur Kaffeemaschine ohne Unfälle schaffst. Sprich: Wenn du kein Morgenmensch bist, such dir eine andere Tageszeit 😉
- Lege dir dein Material sichtbar bereit. Eventuell hast du sogar einen Raum oder eine Ecke irgendwo in deinem Wohnzimmer, wo du deine Sachen liegen lassen kannst. Und wenn du zum Fernseher schleichen willst, springen dich deine Stifte oder Pinsel beim Vorbeigehen an 😃
- Lass deine Erwartungshaltungen los! So abgedroschen dieser Spruch auch klingen mag: Enjoy the process. Der Spaß an der Tätigkeit an sich ist das Ziel, nicht das Endergebnis.
- Speicher dir eine Erinnerung in dein Smartphone. Wenn du ein Bullet Journal führst, füge dir einen Habit Tracker für deine Zeichenpraxis ein. Oder ganz altmodisch: Papp dir einen qietschbunten Zettel an den Kühlschrank. Mit Einhornmagnet! 🦄
- Mach mit dir selbst ein “Sketchbook-Date” aus. Ein fester Termin in deinem Kalender mit dir selbst. Und halte dich dran! Kaffeetrinken mit deiner besten Freundin würdest du ja auch nicht sausen lassen, weil auf Netflix gerade irgendeine Serie angesagt ist.
- Und der wichtigste Punkt: Wenn du das Zeichnen mal zeitlich gar nicht einrichten kannst, ist das auch kein Schiffbruch. Du willst dir schließlich die Freude an deiner Kreativität erhalten und nicht in einer Doktrin versinken.
So, und nun? Das sind ja alles ganz arg dolle Tipps, aber WAS sollst du zeichnen?
Damit es mit dir und deiner Zeichenroutine auch klappt, habe ich dir in diesem Artikel einige Ideen zusammengetragen.